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tizianwagner

Cuyabeno Nationalpark - Amazonas und Abschied aus Ecuador

Schon auf dem Weg von der Lodge am Cotopaxi nach Quito waren wir damit beschäftigt zu planen, was wir in unserer letzten Woche in Ecuador noch machen wollten. Stefanie, die wir in der Cotopaxi Lodge kennen gelernt hatten und die sich mit uns das Shuttle teilte, sollte noch am selben Abend mit dem Nachtbus in den Amazonas Regenwald fahren, um dort einige Tage in einer Lodge zu verbringen. Ich war von diesem Vorhaben sofort begeistert und versuchte die etwas ausgepowerte Laura davon zu überzeugen, sich ihr anzuschließen. Nach einigem Hin und Her und mit der Hilfe von Ben, dem Hostel Manager, den wir von unserem letzten Aufenthalt in Quito kannten, stimmte sie endlich zu. Wir nutzten den frühen Abend um Wäsche zu waschen und umzupacken, sodass wir nicht mit vollem Gepäck das Abenteuer antreten mussten. Um 23:30 Uhr bestiegen wir den Bus, der uns in den Cuyabeno Nationalpark bringen sollte. Über insgesamt neun Länder in Südamerika erstreckt sich der Amazonas Regenwald. Ecuador beherbergt nur einen sehr kleinen Teil davon, der aber in Sachen Biodiversität dem Herzen des Amazonas in Brasilen in nichts nachsteht. Nach etwa zehn Stunden erreichten wir den Punkt, an dem uns der Bus nicht mehr weiter bringen konnte. Unser Gepäck wurde auf ein motorisiertes Kanu umgeladen und unser Guide nahm uns in Empfang. Wir waren insgesamt nur fünf Gäste, welche die Tour zur Tucan Lodge gebucht hatten. Zwei Stunden Bootsfahrt lagen noch vor uns, um die Lodge zu erreichen. Schon nach der ersten Flussbiegung hatten wir das Gefühl mitten in die „grüne Hölle“ eingetaucht zu sein. Die ganze Fahrt lang hielten wir Ausschau nach seltenen Pflanzen und Tieren, was sich als ziemlich knifflig herausstellte. Die Ufer waren so dicht bewachsen, dass uns ein Blick in das Innere des Waldes verwehrt blieb, was ein deutlicher Unterschied zu den Regenwäldern Costa Ricas darstellte. Das geschulte Auge unseres Guides sorgte dennoch dafür, dass wir einige Bewohner zu Gesicht bekamen. Dazu gehörten farbenfrohe Tukane, eine Gruppe blau gelbe Aras, zwei Faultiere, verschiedene Affenarten und sogar eine Anakonda, die sich in einem dichten Busch sonnte. Es war zwar kein neun Meter Monster, wie es sie dort durchaus gibt, aber sie beeindruckte trotzdem mit den knapp dreieinhalb Metern. Damit aber nicht genug, einen magischen Moment erlebten wir, als wir an einer breiteren Stelle plötzlich Halt machten und eine Gruppe Amazonas Fluss-Delfine direkt vor uns immer wieder zum Luft holen auftauchte. Die Süßwasser Delfine sind vor allem durch ihre pinke Farbe bekannt, die sie annehmen wenn sie besonders aktiv sind. Völlig begeistert von dem Beginn unseres Dschungel Abenteuers, erreichten wir die Tucan Lodge. Der wahnsinnig schöne, hölzerne Bootsanleger mit Sonnendeck und Hängematten erinnerte uns stark an die beliebte Attraktion im Europa-Park: „Dschungel-Floßfahrt“. Auf der dahinterliegende Lichtung waren auf Holzpfählen dann die einzelnen Gebäude errichtet, umringt von dichtem Grün.

Nach einem stärkenden Mittagessen hatten wir Zeit unsere Zimmer zu beziehen und die Lodge zu erkunden, bevor wir uns dann am Nachmittag auf den Weg zu einer Lagune machten, um den Sonnenuntergang zu beobachten. Unterwegs sahen wir wieder viele bunte Vögel und Affen, die am Flussufer in den Bäumen nach Früchten suchten. Der ganze Nationalpark ist durchzogen von kleineren und größeren Flüssen, die immer wieder in Lagunen münden. Auf einer dieser Wasserflächen stoppten wir um das Farbspektakel, dass die untergehende Sonne veranstaltete, zu genießen. Als unser Guide fragte, wer in der Lagune schwimmen wollte, schauten wir uns erst mal ungläubig an. Erst nachdem er uns versicherte, dass die bis zu sechs Meter großen schwarzen Kaimane, die Piranhas und die vor allem im Wasser jagenden Anakondas keine Gefahr darstellen würden, trauten wir uns vom Boot aus ins Wasser zu springen. Allerdings war uns die Planscherei nicht wirklich geheuer, da wir durch die braune Färbung des Wassers keine zehn Zentimeter unter uns schauen konnten. Die Vorstellung was alles unter uns lauern könnte, ließ uns nach wenigen Minuten zurück ins Boot klettern. Auf dem Weg zurück zur Lodge versuchten wir mit Hilfe von Taschenlampen, die reflektierenden Augen von Kaimanen und Schlangen im Dickicht zu entdecken. Mehrere kleinere Kaimanarten und Baum-Boas bekamen wir tatsächlich zu Gesicht. Eine der Boas hing in einem Ast der weit auf den Fluß hinaus reichte, sodass wir mit dem Boot fast darunter fuhren. Erst als ich nur noch einen halben Meter von ihr entfernt war machten wir halt.

Früh am nächsten Morgen wollten wir mit einem kleineren Kanu ohne Motor, die kleineren Flussarme in der Nähe der Lodge durchqueren und die Wildnis beim erwachen zuschauen. Dicke Nebelschwaden zogen durch die Baumwipfel und neben den leisen Padelschlägen waren nur die Geräusche des Dschungels zu hören. Wir trauten uns fast nicht zu atmen um diese Atmosphäre zu stören.


Nach dem Frühstück wanderten wir in Gummistiefeln durch den matschigen Urwald um ein Dorf der hier beheimateten indigenen Bevölkerung zu besuchen. Das mittlerweile durch verschiedene Hilfsprogramme mit Solartechnik und Internet ausgestattete Dorf, lebt dennoch weitestgehend nach alten Traditionen. Die Neuerungen werden hauptsächlich zu Bildungszwecken in der Schule eingesetzt. Einige der Kinder verlassen im jungen Erwachsenenalter das Dorf um in den größeren Städten zu studieren. Nicht wenige kommen danach aber zurück und arbeiten in der Tourismusbranche, um Besuchern ihre Traditionen und die Vielfalt des Regenwaldes näher zu bringen. Zwei der Lodge-Mitarbeiter stammen und leben tatsächlich in diesem Dorf. Eine der Frauen zeigte uns, wie sie aus der Yuka-Wurzel (oder auch Maniok) durch einen aufwändigen Prozess eine Art Fladenbrot herstellen. Anschließend durften wir den Schamanen des Dorfes treffen. Er zeigte uns wie sie immer noch unterschiedlichste Güter des Dschungels einsetzen, um allerlei gesundheitliche Probleme zu behandeln oder spirituelle Rituale durchzuführen, wie zum Beispiel das berühmte Ayahuasca Ritual. Dabei trinken der Schamane und sein Patient eine aus verschiedenen Kräutern und Wurzeln hergestellte Flüssigkeit, die beide in einen halluzinierenden Zustand versetzt. Der Schamane kann in diesem Zustand erkennen welche Traumata beispielsweise den Patient verfolgen um diese dann zu behandeln. Tatsächlich unternehmen viele Menschen Reisen in das Amazonas Gebiet um an einem solchen Ritual teilzunehmen. Am Ende unseres Dorfbesuchs begutachteten wir den selbstgemachten Schmuck der Mädchen und jungen Frauen des Dorfes. Allerdings zog etwas ganz anderes unsere Aufmerksamkeit auf sich. In einem Eimer hatten die Dorfbewohner dicke Larven, die eine Käferart in den Palmen ablegt, gesammelt. Sie gelten angebraten als Delikatesse. Ich konnte meine große Klappe nicht halten und stachelte Alex, einen der beiden Franzosen, die mit uns in der Lodge zu Gast waren, an, eine der dicken Larven zu essen. Ich würde dann nachziehen! Mit zwei Dingen hatte ich nicht gerechnet: dass Alex ohne zu zögern in den Eimer griff und vor allem nicht, dass er die Larve lebendig verspeiste. Ein ungutes Gefühl machte sich in mir breit, jetzt musste ich ja zu meiner zugegeben großspurigen Aussage stehen. Unter den angewiderten Augen von Laura aß ich eine dicke, sich windende Larve in zwei Bissen. Der weiche Körper zersprang als ich reinbiss und der Kopf knirschte zwischen meinen Zähnen. Fast alle anwesenden Dorfbewohner lachten über uns. „Verrückte Gringos!“ Ich war heilfroh, als eines der Mädchen mir ein Stück des Yuka Brots reichte.

Abends stand eine Nachtwanderung in einem trockenen Teil des Waldes auf dem Programm, bei dem wir hauptsächlich nach Spinnen, Skorpionen und verschiedenen Faltern und Insekten Ausschau hielten. In den darauffolgenden Tagen lernten wir, wie traditionell Kakao und Kaffee verarbeitet werden und erkundeten weiter die Flussarme und Lagunen der Region, wobei wir einmal sogar Piranhas angelten. Zudem unternahmen wir eine vierstündige Wanderung bei der wir teilweise so weit in den morastigen Boden einsanken, dass Wasser in unsere Gummistiefel lief. Ein ganz besonderer Wunsch meinerseits blieb allerdings unerfüllt: den Riesen Flussotter zu Gesicht zu bekommen. Gilbert, unser Guide ließ wirklich nichts unversucht aber wir blieben glücklos. Für die letzte Nacht bekamen Laura und ich angeboten, in Hängematten etwa 300 Meter von der Lodge entfernt im Dschungel zu übernachten. Ich stand der Sache von Anfang an skeptisch gegenüber, ob ich wohl in der Lage war in einer Hängematte in den Schlaf zu finden, ließ mich aber von Laura breit schlagen. Kurz nach 21 Uhr führte uns Gilbert durch den dichten Wald zu dem Schlafplatz. Die Hängematten waren mit einem Moskitonetz ausgestattet und durch eine Plane zusätzlich vor Regen geschützt. Wir kletterten jeweils in unseren „Schlauch“ und vergruben uns in einer dicken Decke. Es war pechschwarz und Vögel, Zikaden und andere Insekten waren von den Baumwipfeln zu hören. Jedes Knacken in der Ferne führte zu absurden Fantasien. Dass Gilbert uns die Aufnahmen der letzten Monate von der Wildtierkamera, die nur wenige hundert Meter entfernt installiert ist, gezeigt hatte machte die Sache nicht besser. Der Ameisenbär und die Otter machten mir keine Sorgen, der Jaguar dagegen schon. Nach einer geschlagenen Dreiviertelstunde in der ich in die finstere Nacht raus starrte fragte ich: „Laura, kannst du schlafen?“ Eine sichtlich erleichterte Laura antwortete: „Nein, überhaupt nicht, ich bin viel zu aufgeregt.“ Wir entschlossen uns letztendlich zurück in unser Bungalow zu gehen. Mit Stirnlampen bewaffnet stampften wir zurück zur Lodge, nicht ohne immer wieder einmal einen Blick über die Schulter zu werfen.

Nach dem Frühstück begann die lange Rückreise nach Quito. Das Team der Tucan Lodge hatte wirklich dafür gesorgt, dass wir ein unvergessliches Dschungel Abenteuer erleben durften. Ein letztes Abenteuer wartete aber noch auf uns. Wir kamen um eine Flussbiegung als wir zwei Boote vor uns sahen, die versuchten einen Baumstamm zu überwinden der umgestürzt über dem Fluss lag. Ein Boot schaffte es mit Anlauf das Hindernis zu überqueren. Wir stiegen dann um in dieses Boot, damit unser Fahrer ebenfalls mit Anlauf und weniger Gewicht, über den Baumstamm fahren konnte.

Zehn Wochen Ecuador waren zu Ende. Wer hätte gedacht, dass wir hier so viel Zeit verbringen würden. Galapagos, die Küste, die Anden und der Amazonas haben unseren Aufenthalt unvergesslich gemacht.

Trotzdem freuten wir uns auf das bevorstehende Abenteuer: Peru!





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